Benutzer:Kapsart/Christoph Lindenmaier

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Christoph Michael Lindenmaier (* 21. Dezember|29. Oktober 1948|1953 in Küsnacht, Zürich ; † 2924. April. März 2022|2009 in Zürich) war Arzt, IKRK Delegierter, Mitgründer des Alternativen Lokalradios LoRa in Zürich und UNIKOM (Union nicht-kommerzorientierter Lokalradios), Hörfunk- und Frequenztechniker im Ingenieurbüro RED-EL, Gründungsmitglied der Europäischen Föderation der Freien Radios F.E.R.L, Lehrbeauftragter für Publizistik, Mitglied der Gewerkschaft SSM (Schweizer Syndikat der Medienschaffenden), Entwicklung von kostengünstigen Lokalradios für Europa und den globalen Süden. Programmentwickler digitaler «on air tools» (OAT) und Menschenrechtsaktivist. Verheiratet.

Leben und Wirken

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Christoph Lindenmaier «studierte in Zürich Medizin und wollte eigentlich Neurologe werden. Seine Leidenschaft galt jedoch schon immer der Welt der Technik, den Mikrochips, Schaltkreisen und Lötkolben. Bereits als Jugendlicher bastelte er im Keller seiner Eltern Komponenten für Amateurfunksender und versetzte seine älteren Kollegen in Staunen»1. Trotzdem verfasste er seine Dissertation 1980 zu den neurophysiologischen Grundlagen des dreidimensionalen Sehens bei Prof. Lehmann, neurologische Uniklinik Zürich. 1974 war er Delegierter des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes und 1976 in dieser Funktion in Zypern und Jerusalem. Parallel zu seinem Medizinstudium besuchte er Fernkurse in Telekommunikation und Elektronik und entwickelte Apparate für die medizinische und biologische Forschung. 1979 gründete er das Ingenieurbüro RED-EL. Diese Firma stellte Sendeanlagen her, die in zahlreichen nichtkommerziellen Lokalradio-Projekten in Belgien, Frankreich, Deutschland und Österreich zum Einsatz kamen. Die von ihm entwickelten «Rucksacksender» fanden ihre Abnehmerinnen bei verschiedenen Freiheits- und Widerstandsorganisationen im globalen Süden, aber auch in der Radiopiratenszene in verschiedenen Ländern Europas.

1976 bis 1993 vom Piratenradio zum Hörer- und Aktionsradio

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In seinem «Vorschlag zur Umfunktionierung des Rundfunks» forderte Bertold Brecht 1932: «Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln2 Dieser Vorschlag hat Radio Pioniere aus dem linken Spektrum wie Christoph Lindenmaier geprägt. Sie gründeten am 5. April 1977 den Verein Alternatives Lokal Radio (ALR) in Zürich. Seit den 50er Jahren ermöglichte die Erfindung der Transistortechnik den Bau immer kleinerer Sendeanlagen und Empfänger. Christoph Lindenmaier brachte beim Verein ARL sein technisches Wissen und seine widerständig politisierte Haltung ein. Er betreute verschiedene Machbarkeitsstudien und Konzessionsgesuche, doch das werbefreie, kollektiv gemachte Radioprogramm konnte erst mehr als sechs Jahre nach Gründung des Vereines ARL am 14. November 1983 als Lokalradio LoRa legal auf Sendung gehen. ALR erhielt die erste schweizerische Radiokonzession für ein nichtkommerzielles Lokalradio.

Christoph Lindenmaier war am 20. September 1983 einer der Initianten bei der Gründung der Union nicht kommerzorientierter Lokalradios der Schweiz, UNIKOM. Diese Vereinigung bezweckt die Verfolgung gemeinsamer Interessen von Lokalradioveranstaltern, deren Betrieb nicht auf kommerzielle Ziele ausgerichtet ist, sondern auf die Schaffung neuer zweiseitiger Kommunikationsstrukturen im jeweiligen lokalen Raum.3 Neben den öffentlich-rechtlichen Anbietern und den privaten profitorientierten Radio- und Fernsehunternehmen sollten nichtkommerzielle Gemeinschafts- oder Community Medien als dritter Sektor eine rechtliche Anerkennung finden. Die tragenden Ideen der UNIKOM fanden ihren Ausdruck auch in der 1986 von Lindenmaier mitbegründeten Europäischen Föderation Freier Radios, F.E.R.L, die in der Provence in Zusammenarbeit mit Radio Zinzine4 gegründet wurde. Dieses provenzalische Landradio konnte unmittelbar nach dem Wahlsieg von François Mitterrand, der als sozialistischer Präsidentschaftskandidat in Frankreich die Legalisierung der freien Radios in Aussicht gestellt hatte, 1981 auf Sendung gehen. Lindenmaier lieferte die Sende-und Studioeinrichtung und begleitete als Ausbildner die ersten Sendestunden dieses nichtkommerziellen Radios. Als Dachorganisation zahlreicher freier Radios in verschiedenen Ländern Europas erlangte die F.E.R.L in kurzer Zeit den Beobachter- und Beraterstatus im Europarat in Strassburg5

Im Rahmen der F.E.R.L leistete C. Lindenmaier einen wichtigen Beitrag zur Legalisierung der freien Radios in Österreich. In den Jahren 1990 bis 1992 war er Lehrbeauftragter am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften der Universität Wien und am Institut für Unterrichtstechnologie und Medienpädagogik der Universität für Bildungswissenschaften Klagenfurt6.

Nach dem Fall der Mauer waren die Erfahrungen der F.E.R.L und die Expertise Lindenmaiers in zahlreichen Ländern des ehemaligen Ostblocks in Bezug auf rundfunktechnische Frequenzfragen, regulatorische Belange und Machbarkeitsstudien gefragt. Er empfahl vielen Radio-Aktivisten, die auf die westliche Medienfreiheit hofften, Beharrlichkeit und Ausdauer, denn die Antwort der «neuen Staatsorgane für unabhängige Stimmen sei noch nicht abzuschätzen7». So mussten zum Beispiel die Initiatoren des Community Radios von Erfurt, Radio FREI für eine kontinuierliche, unabhängige Sendeerlaubnis fast neun Jahre verhandeln.

Das Wirken Lindenmaiers für die freien nichtkommerziellen Lokalradios trug dazu bei, dass der Europarat8 heute die wichtige Rolle der Community Medien in der Wahrung von Meinungs- und Informationsfreiheit anerkennt.9

Er war neben seinen europäischen Aktivitäten auch in Projekten in Mali (Radio Kayira) oder Madagaskar (Mahaleo) involviert und unterhielt Kontakte zu vielen freien Radios im globalen Süden. Als Menschenrechtsaktivist beim CEDRI – dem europäischen Komitee zur Verteidigung der Flüchtlinge und Gastarbeiter - wurde Lindenmaier am 3. CEDRI Kongress 198610 von Vertretern des ANC (African National Congress, der Partei von Nelson Mandela) angefragt, ob er in Zürich aktiv werden könne. Der Zürcher Finanzplatz unterlaufe die UNO Sanktionen durch die Kommerzialisierung von 60-90% des südafrikanischen Goldes. Die Londoner Metallbörse musste die Gold-Geschäfte mit dem Apartheidregime stornieren, denn Grossbritannien war Mitglied der Uno. Für die neutrale Schweiz war dies eine rentable Konstellation, war sie doch noch nicht Mitglied der UNO. Heute ist es eigentlich nur sehr schwer verständlich, dass Menschen wie Nelson Mandela und ihr Widerstand gegen die Apartheid, ihr Kampf gegen die Rassentrennung und für Demokratie in Südafrika, von vielen, zum Teil namhaften, konservativen Politikern in der Schweiz als terroristisch betrachtet wurde. Das nichtkommerzielle unabhängige Hörer:innen Radio LoRa wurde in dieser Zeit zum radiophonen lokalen Sprachrohr im Kampf gegen Rassismus und Apartheid und vor allem auch Aktionszentrum der solidarischen Zivilgesellschaft. Kulturschaffende beteiligten sich mit ihren Werken ab 1986 an der Anti-Apartheid und Südafrikaboykottkampagne von Radio LoRa. Schweizer und internationale Musiker:innen wie Udo Lindenberg, Karumanta, Comedia Mundi, Mahaleo, Polo Hofer, Yvette Théraulaz, Magda Vogel, Franz Hohler, Linard Bardill, Marco Zappa, Aernschd Born ermöglichten das Doppelalbum «Gegen Rassismus überall»11

Ab 1988 beteiligte sich Christoph Lindenmaier auch an der internationalen CEDRI Kamapagne : Gerechtikeit für Otelo de Carvalho. Mit Nelken in den Gewehrläufen gelang es den portugiesischen Militärs am 25. April 1974 ohne Blutvergiessen der konservativ-autoritären Diktatur nach 40 Jahren ein demokratisches Ende zu bereiten. In der Folge wurde Otelo, einer der Hauptplaner der Nelkenrevolution als Terrorist kriminalisiert und nach einem Schauprozess ins Gefängnis gesteckt. Die Künstler:innen des CEDRI Benefiz - Doppelalbums leisteten einen wesentlichen Beitrag 1989 zu seiner Befreiung.

1990 bis 2009 Übergang von analog zu digital

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

«Kleinräumige» chauvinistische und nationalistische Hassreden führten im ehemaligen Jugoslawien zum Ausbruch von Gewalt und 1991 zum ersten Krieg auf europäischem Boden nach dem zweiten Weltkrieg. Das Kappen der Telefonleitungen zwischen den einzelnen Republiken verhinderte den Informationsaustausch von kritischen, antinationalistischen Stimmen gegen die in jedem Krieg wütende Desinformation. Mittels einer von Lindenmaier konzipierten digitalen Infrastruktur konnte diese Blockade der telefonischen Kommunikation unterlaufen werden. So gründeten die F.E.R.L und das Europäische Bürger:innen Forum EBF gemeinsam mit Journalist:nnen in Jugoslawien das Alternative Medien Netzwerk (AIM), das gegen hundert Medienschaffenden aus allen Teilrepubliken eine Frieden fördernde, deeskalierende Kommunikation ermöglichte. Christoph und seine Freunde installierten in Paris, Zagreb, Ljubliana, Belgrad, Prishtina, Skopje, etc ein Netzwerk von Modems. Das sind Geräte, die Texte über die herkömmlichen Telefonlinien verbreiten konnten. Etwa 23000 gut dokumentierte Artikel entstanden innerhalb von 10 Jahren AIM. Heute sind diese Texte als Dokumentation zu diesem Konflikt einer historisch interessierten Öffentlichkeit zugänglich12.

Radioprogramme können über Antennen (drahtlos terrestrisch) verbreitet werden. Über Antenne war UKW bis Ende 2019 in der Schweiz der Hauptverbreitungsweg. Seit dem 1. Januar 2020 erfüllt DAB+ (Digital Audio Broadcasting) diese Aufgabe. Zur Sicherung einer optimalen UKW Versorgung einerseits und eines rationellen Netzaufbaus für DAB andererseits, bestand in den 90er Jahren ein erhöhter Bedarf an Eigenleistung der Schweiz auf dem Gebiet der Wellenausbreitungsprognosen. Lindemaier und Kollegen in der Firma KSC Informatik AG erhielten 1996 via BAKOM und PTT den Auftrag für ein Forschungsprojekt APS: Algorithmenprüfung zur Wellenausbreitung in schwierigem Gelände. Ende Juni 1998 wurden dieses Forschungsprojekt abgeschlossen und den Auftraggebern übergeben.

Parallel dazu drängte sich die Digitalisierung in die konkreten Bereiche des Radiomachens: die Entwicklung einer Software für Organisation und Ablaufsteuerung von digitalen Tondokumenten auch im nicht kommerziellen Radiobetrieb war angesagt. Christoph entwickelte eine Software für Radio LoRa – und andere Radios von Anfang 2000 bis Mai 2004. Er nannte es Onair tool OAT. «Es bewährte sich besonders bei Radio Zinzine. Es ist bis heute noch «laientauglich»13.

Eines der letzten Radioprojekte bei denen Christoph Lindenmaier eigentlicher Taufpate war, ist das Radio Stadtfilter von Winterthur, das 2009 auf Sendung ging. Daniel de Roulet widmete in seinem Nachruf für Lindenmaier in der WoZ vom 16. April 2009 ua folgende Worte: «Auch Christoph mit seinem Piratengenie vertrat die Meinung, dass Technologie nie neutral sei und man sie deshalb unbedingt in die eigenen Hände bekommen müsse14

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Radio Zinzine. Abgerufen am 14. Oktober 2023.
  • RadioF.R.E.I. Aktuell. Abgerufen am 14. Oktober 2023.
  • COMMIT- COMMIT. Abgerufen am 14. Oktober 2023.
  • Jürg Frischknecht, Walo von Büren: LENOS, Basel 1980, S. 17.
  • AIM| Alternative Information Network. Ab gerufen am14. Oktober 2023
  • Bundesamt für Kommunikation BAKOM - DAB+- Sendernetze für die digitale Verbreitung von Radioprogrammen, https://www.bakom.admin.ch/bakom/de/home/elektronische-medien/technologie/digitale-verbreitung/dabplus-sendernetze-fuer-die-digitale-verbreitung-von-radioprogrammen.html


1 Immer ist irgendetwas. Festschrift 15 Jahre Freies Radio Salzkammergut (AT), p 98/99, Mario Friedwanger, 2014

2 Quelle: Kommerz auf Megahertz, Jürg Frischknecht, Walo von Büren Seite 81, ISBN 978 3 85787 076 7

3 Zitat Vereinsstatuten UNIKOM https://unikomradios.ch/wordpress/wp-content/uploads/2015/12/Unikom_Statuten_2015.pdf

4 http://www.zinzine.domainepublic.net/ Céline Urbaniak, https://ecole-doctorale-355.univ-amu.fr/fr/soutenance/3443

5 III.Kongress der FERL 16.-20.Mai 1991 unter dem Patronat von Catherine Lalumière, Generalsekretärin des Europarates

6 https://www.aau.at/medien-und-kommunikationswissenschaft/geschichte/

7 FERL Brief an Radio Frei - im Nachlass von Lindenmaier (Schweiz Sozialarchiv) 21.09.1990

8 http://www.coe.int/freedomofexpression

9 https://rm.coe.int/leaflet-community-media-ger-january-2020/1680a018ff

10 CEDRI KONGRESS, Limans, Provence, 5.-11. Mai1986

11 ZYT 956 , Zytglogge Verlag , 3073 Gümligen/BE, CEDRI - Südafrika Boykott Aktion - Radio LoRa

12 http://www.aimpress.ch/

13 Zitat: Klaus Hinkeldein, langjähriger Techniker FERL und Radio Zinzine – Schreiben vom 25. Mai 2024 (Nachlass Lindenmaier SSA)

14 https://www.woz.ch/0916/christoph-lindenmaier-1953-2009/pirat-aus-leidenschaft