„Washington Consensus“ – Versionsunterschied

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Der Begriff '''Washington Consensus''' bezeichnet eine Anzahl von [[Wirtschaftspolitik|wirtschaftspolitischen]] Maßnahmen, die Regierungen zur Förderung von wirtschaftlicher Stabilität und Wachstum durchführen sollten. Das Konzept wird von [[IWF]] und [[Weltbank]] propagiert und gefördert.
Der Begriff '''Washington Consensus''' bezeichnet eine Anzahl von [[Wirtschaftspolitik|wirtschaftspolitischen]] Maßnahmen, die Regierungen zur Förderung von wirtschaftlicher Stabilität und Wachstum durchführen sollten. Das Konzept wird von [[IWF]] und [[Weltbank]] propagiert und gefördert.


Der Begriff ''Washington Consensus'' wurde von dem Ökonomen [[John Williamson (Wirtschaftswissenschaftler)|John Williamson]] für eine Konferenz 1990 in [[Washington (D.C.)|Washington D.C.]] geprägt. Dort versuchte eine Gruppe von [[lateinamerika]]nischen und [[Karibik|karibischen]] Entscheidungsträgern (Vertreter internationaler Organisationen und Akademiker), die Fortschritte in der [[Wirtschaftspolitik]] der lateinamerikanischen Staaten zu bewerten.
Der Begriff ''Washington Consensus'' wurde von dem Ökonomen [[John Williamson (Wirtschaftswissenschaftler)|John Williamson]] für eine Konferenz 1991 in [[Washington (D.C.)|Washington D.C.]] geprägt. Dort versuchte eine Gruppe von [[lateinamerika]]nischen und [[Karibik|karibischen]] Entscheidungsträgern (Vertreter internationaler Organisationen und Akademiker), die Fortschritte in der [[Wirtschaftspolitik]] der lateinamerikanischen Staaten zu bewerten.


== Inhalt ==
== Inhalt ==

Version vom 25. Mai 2011, 15:30 Uhr

Der Begriff Washington Consensus bezeichnet eine Anzahl von wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die Regierungen zur Förderung von wirtschaftlicher Stabilität und Wachstum durchführen sollten. Das Konzept wird von IWF und Weltbank propagiert und gefördert.

Der Begriff Washington Consensus wurde von dem Ökonomen John Williamson für eine Konferenz 1991 in Washington D.C. geprägt. Dort versuchte eine Gruppe von lateinamerikanischen und karibischen Entscheidungsträgern (Vertreter internationaler Organisationen und Akademiker), die Fortschritte in der Wirtschaftspolitik der lateinamerikanischen Staaten zu bewerten.

Inhalt

Der politische Konsens von Washington hat die erklärte Absicht, einfache Wege zur Erreichung von mehr makroökonomischer Stabilität aufzuzeigen, den extremen Protektionismus der lateinamerikanischen Staaten abzubauen und das Potenzial des wachsenden globalen Handels sowie das Auslandskapital besser zu nutzen. Darüber hinaus wurde 1990 in Washington die Erwartung geäußert, die Globalisierung und die Reformen würden nicht nur die Erreichung eines hohen wirtschaftlichen Wachstums, sondern auch eine signifikante Reduzierung der Armut und eine Nivellierung der Einkommensverteilung zur Folge haben.

Es wurde ein Konsens erreicht, wonach Schuldner folgende 10 Strukturanpassungen vorzunehmen haben:

Es gibt einige Überschneidungen zwischen diesen Forderungen und neoliberalen Politikansätzen, die aber in der Regel darüber hinausgehen.[1]

Perspektiven

Als Ziel weiterer Reformen in den lateinamerikanischen Ländern wird angesehen, der Gesamtheit der Bevölkerung durch ein höheres nachhaltiges Wachstum zu mehr Wohlstand zu verhelfen und eine signifikante Reduzierung der Armut durch eine bessere Verteilung des Wohlstandszuwachses sowie durch Integration der marginalisierten Bevölkerungsteile in den Modernisierungsprozess zu erreichen. Hierfür bedürfe es vermehrter Anstrengungen bei der Aus- und Weiterbildung nicht nur der jungen Menschen, sondern auch der Berufstätigen. Der Abbau der Staatsverschuldung, die Etablierung eines investitionsorientierten Kapitalmarkts, die Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen, die konsequente Bestrafung von Korruption, die Intensivierung des Wettbewerbs in einer immer noch vorrangig durch Beziehungen teilmonopolisierten Wirtschaft, die weitere, allerdings auch gleich kompetitive Stärkung des privaten Sektors und die Konsolidierung der makroökonomischen Stabilisierungsmaßnahmen durch eine strenge Haushaltsdisziplin seien Teilziele, die tiefgreifende institutionelle Reformen verlangen. Die Ansiedlung und Förderung moderner, möglichst auch mittelständischer Unternehmen vor allem der Kommunikations- und Informationsindustrie müsse hierbei ebenso zu den Prioritäten gehören wie die Verbesserung der Infrastruktur, besonders im Bereich der modernen elektronischen Netzwerke, und die Dezentralisierung der Verantwortlichkeiten im Sinne des Global denken - lokal handeln (Glokalisierung). Hierfür bedürfe es eines ordnungspolitischen Umdenkens.

Kritik

Hernando de Soto erklärt in seinem Buch Freiheit für das Kapital, dass die Anwendung dieser Rezepte allein nicht ausreiche. Was den lateinamerikanischen Ländern fehle, seien definierte Eigentumsrechte, Vertragsrechte und die Firmenkonstruktionen, um Wohlstand schaffen zu können.

Der Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz kritisiert in seinem Buch Die Schatten der Globalisierung die Umsetzung des Washington Consensus. Er schreibt, dass „diese Empfehlungen, sofern sie sachgerecht umgesetzt werden, sehr nützlich sind, [...] aber der IWF diese Leitlinien als Selbstzweck betrachtet statt als Mittel zu einem gerechter verteilten und nachhaltigeren Wachstum.“[2] Stiglitz kreidet dem IWF an, dass er „blind dieses Ziel [verfolge, ...obwohl] die Wirtschaftstheorie wichtige und nützliche Alternativen erarbeitet hatte.“[3] In seinem neueren Buch Die Chancen der Globalisierung setzt Stiglitz die Kritik fort und erklärt, dass der Washington Consensus auf Idealisierungen beruhe – u. a. vollständiger Wettbewerb, vollständige Informationen – „die insbesondere für die Entwicklungsländer weit von der Wirklichkeit entfernt und daher kaum relevant" seien.[4] Länder, die sich nicht an diese Empfehlungen gehalten haben, wie zum Beispiel China, entwickeln sich wirtschaftlich sehr positiv, während andere Länder in Afrika und Lateinamerika, die den Empfehlungen weitgehend gefolgt sind, geringere Wachstumsraten aufweisen. Stiglitz nennt vier zentrale Kritikpunkte:[5]

  • Der Rückzug des Staates führe nicht immer dazu, dass die entsprechenden Leistung von der Privatwirtschaft angeboten werden. So hat die Abschaffung der Vertriebskommissionen für Landwirtschaftliche Produkte in Westafrika dazu geführt, dass die wenigen wohlhabenden Bauern, die über geeignete Transportmittel verfügten, ein örtliches Monopol aufbauen konnte. Die Situation der anderen Bauern hatte sich dadurch drastisch verschlechtert.
  • Im Falle eines Rückzugs des Staates müsse sichergestellt werden, dass die neu entstehenden Märkte allen potentiellen Anbietern offen stehen. So habe die Privatisierungspolitik in Russland eher die Entstehung von Oligopolen, daraus resultierenden Marktverzerrungen und Einkommensungleichheit als das Entstehen einer funktionierenden Marktwirtschaft verursacht.
  • Der Washington Konsensus gehe zu unkritisch davon aus, dass wirtschaftliches Wachstum allen Bevölkerungsschichten zugute komme (Trickle-down-Theorie). Demgegenüber stellt Stiglitz fest, dass Wirtschaftswachstum gerade in Entwicklungsländern zu einer Verschärfung der sozialen Ungleichheit führt, in der Folge komme es zu politischer Instabilität, welche der Wirtschaft schade. Durch adäquate Sozialpolitik sei dies vermeidbar. Als Extrembeispiel nennt er, dass der IWF wiederholt von Ländern, die sich in einer Finanzkrise befanden, den Abbau von Nahrungsmittelsubventionen gefordert hat.
  • Die Kreditvergabekonditionen verlangen auch von Staaten, die sich in einer schweren Wirtschaftskrise befinden, eine rigide Sparpolitik. Hierdurch würden Krisen noch verschlimmert und es drohe das Abgleiten in eine Depression.

Stiglitz hält nach den Erfahrungen der Finanzkrise ab 2007 die Politik des Washington Consensus und die „ihr zugrunde liegende Ideologie des Marktfundamentalismus“ für „tot“.[6]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Nitsan Chorev: On the Origins of Neoliberalism: Political Shifts and Analytical Challenges. In: K.T. Leicht, J.C. Jenkins (Hrsg): Handbook of Politics: State and Society in Global Perspective, Berlin, Springer, 2010, S. 127-144.
  2. Joseph Stiglitz: Die Schatten der Globalisierung. Bonn 2002, S. 70
  3. Joseph Stiglitz: Die Schatten der Globalisierung. Bonn 2002, S. 71
  4. Joseph Stiglitz: Die Chancen der Globalisierung. Bonn 2006, S. 51
  5. Handrik Hansen, Politik und wirtschaftlicher Wettbewerb in der Globalisierung, 1. Auflage 2008, VS Verlag für Sozialwissenschaft, ISBN 978-3-531-15722-1, Seite 129
  6. Joseph Stiglitz: Im freien Fall - Vom Versagen der Märkte zur Neuordnung der Weltwirtschaft, München, Siedler, 2010, S. 370.