Abdecker

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Ein totes Pferd auf dem Wagen (Schinderkarre) eines Abdeckers, undatierte Zeichnung von Thomas Rowlandson (1756–1827)

Abdecker, im oberdeutschen Sprachraum Wasenmeister, war jahrhundertelang eine Berufsbezeichnung für Personen, die in einem bestimmten Bezirk für die Beseitigung von Tierkadavern und die Tierkörperverwertung zuständig waren. Aus der Verwertung ergaben sich Produkte wie Fette (zur Herstellung von Lampentalg), Leim, Knochen und Knochenmehl, Seife, Felle, Tierhäute zur Herstellung von Leder (das Gerben wurde von Abdeckern erledigt) und Viehfutter.

Andere Bezeichnungen des Berufs waren Schinder, Feld-, Fall-, Halb-, Klee- oder Wasenmeister; Greis-, Klee- oder Feldmetzger; Luderführer, Kleeken, Mausgewitz, Kaviller, Kafiller, Filler, Füller, Racker, Freiknecht, Abstreifer, Bärenhäuter, Weider, Weidmann, Fetzer, Kaltschlächter, Säuberer, im süddeutschen Raum auch „Orsinger“ genannt, oder Weißriemler, die auch Felle gerbten. Seine Gehilfen hatten entsprechende Bezeichnungen wie beispielsweise Schinder- oder Luderknecht.

Der Arbeitsplatz der Abdecker, meist auch ihre Wohnstelle, war die Abdeckerei oder Wasenmeisterei. Auch hier existiert eine Vielfalt weiterer Bezeichnungen wie Schindhütte, Fallhaus oder Luderhaus.

Scharfrichter und Abdecker waren – da erstere von den seltenen Hinrichtungen nicht leben konnten – oft dieselbe Person. In ländlichen Gegenden wurde die Tätigkeit auch vom Gemeindehirten ausgeführt. Der Beruf des Abdeckers galt als unehrlicher Beruf.

Die Aufgaben des Abdeckers oder Wasenmeisters[1] wurden bis in das späte 19. Jahrhundert in sogenannten Wasenordnungen oder Wasenmeisterordnungen festgelegt.[2] In der Schweiz war die Berufsbezeichnung „Wasenmeister“ für die mit der Kadaverbeseitigung befassten Ämter oder Personen noch bis ins 21. Jahrhundert gebräuchlich und verschwand erst mit einer Änderung des Tierseuchengesetzes (TSG) 2013 aus den Gesetzestexten;[3] in Liechtenstein wird die Berufsbezeichnung in der Wasenordnung von 1873 bzw. dem Veterinärwesengesetz von 1966 weiterhin verwendet.[4]

Lebens- und Arbeitsbedingungen eines Abdeckers

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Abdeckerei, Ölgemälde (1909) von William Orpen

Die Bauern waren verpflichtet, sämtliche Tierkadaver (gefallenes Vieh) dem Abdecker zu übergeben, dem oft auch die Entfernung von herumliegenden Katzen- und Hundekadavern oblag. Der Abdecker zerlegte die Kadaver und vergrub oder verbrannte, was nicht mehr verwertet werden konnte. Die Entsorgung der Reste erfolgte zumeist auf Wiesen (altdt. Wasen), woraus sich Berufsbezeichnungen wie Klee- oder Wasenmeister ableiteten.

Aufgrund der Geruchsbelästigung und Seuchengefahr mussten die Abdeckereien außerhalb der Dörfer angelegt werden. Durch den Kontakt mit den Kadavern hatten die Abdecker ein hohes Risiko, sich zum Beispiel mit Milzbrand zu infizieren. Noch heute sind Erdarbeiten auf derartigen Grundstücken gefährlich. Die Knochen aus der Abdeckerei wurden den Seifensiedereien, die verfaulte Fleischmasse den Salpetersiedern und die Häute den Gerbereien zugeführt.

Es haftete an den Abdeckern bis 1817 der Makel der „Anrüchigkeit“ ihres Gewerbes,[5] sie waren vom Kontakt mit der übrigen Bevölkerung nahezu ausgeschlossen. Sie heirateten normalerweise nur untereinander, deshalb waren die Schinder einer Region häufig miteinander verwandt oder zumindest befreundet. Die Wasenmeistereien waren wegen ihrer Abgelegenheit ideale Schlupfwinkel für gesuchte Verbrecher, bspw. Johann Georg Grasel oder den Schinderhannes.

  • Erich Broidl und Hermine Ploiner: Die zwei Wasenmeister-Wohnhäuser von Kamp. In: Das Waldviertel 70, 2021, S. 141–161.
  • Werner Bergmann: Die Sozialgeschichte einer Randgruppe im 19. Jahrhundert – Wasenmeister Wilhelm und seine Familie In: Archiv für Geschichte von Oberfranken 99. Band, 2019, S. 207–215.
  • Rudi Palla: Verschwundene Arbeit. Von Barometermachern, Drahtziehern, Eichmeistern, Lustfeuerwerkern, Nachtwächtern, Planetenverkäufern, Roßtäuschern, Seifensiedern, Sesselträgern, Wäschermädeln und vielen anderen untergegangenen Berufen. Bildauswahl Christian Brandstätter, mit 335 Abbildungen. 3. Auflage (komplett illustrierte, aktualisierte Neuausgabe). Christian Brandstätter Verlag, Wien 2010, ISBN 978-3-85033-327-6, S. 11.
  • Eike Pies: Zünftige und andere alte Berufe, mit 222 zeitgenössischen Illustrationen und Zunftwappen. 3. Auflage. Verlag E. und U. Brockhaus, Wuppertal 2005, ISBN 3-930132-07-9, S. 10.
  • Jutta Nowosadtko: Scharfrichter und Abdecker. Der Alltag zweier „unehrlicher Berufe“ in der Frühen Neuzeit (zugleich Diss. Univ. Essen 1993), Ferdinand Schöningh, Paderborn 1994, ISBN 978-3506761156, S. 118–159.
Wiktionary: Abdecker – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  1. Wasenmeister. In: Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch. Band 4. Leipzig 1801, S. 1399 f.
  2. bspw. die oberbayerische Wasenmeisterordnung von 1862, s. Ludwik Hauff (Hrsg.): Gesetzbibliothek für den bayerischen Staatsbürger, II. Band, München 1863, S. 58–61 (Google-Digitalisat)
  3. Änderungsbeschluss TSG, vgl. TSG, Art. 6 (PDF; 164 kB) Stand Januar 2012; abgerufen 7. Dezember 2017.
  4. Wasenordnung (LGBl 1873.008) vom 29. November 1873, Gesetz über das Veterinärwesen (LGBl 1966.017) vom 10. Oktober 1966; abgerufen 7. Dezember 2017.
  5. Abdecker. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Band 1: A–Astigmatismus. Bibliographisches Institut, Leipzig / Wien 1905, S. 20 (Digitalisat. zeno.org).