Barbier-Paradoxon

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Das Paradoxon

Das Barbier-Paradoxon oder Antinomie des Barbiers ist eine anschauliche Formulierung der Russellschen Antinomie und wurde vom Mathematiker Bertrand Russell 1918 aufgestellt:

Der Barbier von Sevilla rasiert alle Männer von Sevilla, nur nicht die, die sich selbst rasieren. Wenn das so ist, rasiert der Barbier von Sevilla sich dann selbst (er ist kein Bartträger)?

Dabei kommt man auf folgendes Ergebnis: Wenn er sich nicht selbst rasiert, rasiert er sich selbst (das kann also nicht sein). Aber wenn er sich selbst rasiert, rasiert er sich wiederum nicht selbst (das kann also auch nicht sein). Das Ganze ist damit in sich selbst widersprüchlich. Der erste Satz mit der Behauptung kann also unmöglich wahr sein. Er erscheint auf den ersten Blick normal und vernünftig, ist aber bei genauerem Hinsehen ein Paradoxon.

Der Zusatz, dass der Barbier kein Bartträger ist, kann entfallen, denn die Aussage ergibt ohnehin, dass keine Personen existieren, die gar nicht (weder vom Barbier noch von sich selbst) rasiert werden.
(Alle Männer werden rasiert.)

Mit Mengen lässt sich das Barbier-Paradoxon so formulieren:
Die Menge der Männer, die vom Barbier rasiert werden, ist identisch mit der Menge der Männer, die sich nicht selbst rasieren. (Daraus ergibt sich auch: Die Vereinigungsmenge der Selbstrasierer und der Nicht-Selbstrasierer ist die Menge aller Männer. Die Menge der Bartträger ist leer.) Wenn der Barbier rasiert werden soll, was geschehen muss, wenn er zur Menge der Männer gehört, dann müsste er in der Schnittmenge der Selbstrasierer und derer, die vom Barbier rasiert werden, sein. Da aber die Mengen der Nicht-Selbstrasierer und der vom Barbier rasierten identisch sind, existiert keine Schnittmenge zwischen den Selbstrasierern und den vom Barbier rasierten.

In der englischen Sprache gibt es einen einfachen Ausweg aus dem Paradoxon: "The barber is a woman." Aber auch im Deutschen kann die Berufsbezeichnung "Barbier" für eine weibliche Person stehen.

Eine zweite denkbare Lösung ist die, dass der Barbier von Sevilla nach Barcelona geht und sich dort rasieren lässt. So rasiert der Barbier von Sevilla alle Männer in Sevilla, er selbst lässt sich von einem Barbier aus einem anderen Ort rasieren.

Der Versuch, einen zweiten Barbier existieren zu lassen, der den ersten Barbier rasiert, scheitert am Widerspruch zur Aussage "Der Barbier rasiert alle, die sich nicht selbst rasieren." Außerdem impliziert "der Barbier", dass es nur genau einen gibt.

Die prädikatenlogische Version der Aussage ist:

Dieser prädikatenlogische Ausdruck besitzt aber kein erfüllendes Modell, er heißt widersprüchlich oder auch nicht erfüllbar. Im Klartext, es gibt keinen Mann, der alle Männer rasiert, die sich nicht selbst rasieren.

Die prädikatenlogische Version der Frage ist dann:

Das Barbier-Paradoxon wird auch Paradoxon des Aristoteles genannt.

Lösung

Das Problem bei diesem Paradoxon ist, dass wir bereits mit einer falschen Annahme beginnen. "Angenommen ein solcher Barbier würde existieren..." ist bereits falsch. Ähnlich könnten wir uns überlegen "Angenommen der Barbier ist tot und lebt zugleich." -- Diese Annahme ist in sich selbst schon widersprüchlich, ein zugleich toter und lebendiger Barbier kann nicht existieren. Ebensowenig wie der Barbier aus unserem Paradoxon existieren kann.

Mathematisch gesehen handelt es sich hier um einen Widerspruchsbeweis; Wir treffen eine Annahme und leiten einen Widerspruch ab. Damit beweisen wir die Fehlerhaftigkeit unserer Annahme, die Nichtexistenz eines derartigen Barbiers[1].

Variante

„Der Barbier ist derjenige, der alle die rasiert, die sich nicht selbst rasieren.“ (Angegeben zum Beispiel auf DIE ZEIT Nr. 26 vom 21. Juni 2001)

Diese Variante ist eigentlich nicht paradox, da in dem Satz nichts über die gesagt wird, die sich selbst rasieren. Es wird hierbei also nicht ausgeschlossen, dass der Barbier auch jemanden rasiert, der sich selbst rasiert (also sich, den Barbier, selbst).

Siehe auch

Literatur

  • Patrick Hughes, George Brecht: Die Scheinwelt des Paradoxons. Eine kommentierte Anthologie in Wort und Bild, Titel der engl. Originalausgabe: Vicious Circles and Infinity, ISBN 3-528-08379-4
  1. W. V. Quine, The Ways of Paradox and other essays, ISBN 0-674-94835-1 und ISBN 0-674-94837-8